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Krankenliege Nation
Ein mobiler Hörwagen
2004
Klanginstallation in einem ehem. rechtsradikalen Musikclub (Bauwagen)
mit rechtsrad. Oi-Musik und Texten zur Lage der Nation (Heiner Müller), zwei Transportliegen, Leuchtschrift

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Kaditzsch // 19 / feb / 2003 // Am Ortsausgang stieß ich auf einen alten, verlassenen und stark ramponierten Bauwagen, der sowohl von außen als auch von innen mit Graffitis besprüht ist. Das Wageninnere ist überwiegend schwarz lackiert und mit Sprüchen und Symbolen aus der rechten Skinheadszene bemalt: „Nur für Skins“, „Club NPD ist super“, Deutschland unser Land“, "Diotschland für deutsche Skinheads".
An der Decke des Bauwagens, finden sich noch fünf kreisrunde Aussparungen, in denen Lautsprecher eingebaut waren. Wahrscheinlich war dieser Clubraum eine gut ausgebaute Minidiskothek für rechtsradikale Musik. Die Schreibweise von Deutschland mit „oi“ verweist auf die in Neonaziszenen weit verbreitete „Oi!“-Musik, die ein Ableger des Punkrocks ist, also vom Stil viel mit dem linken Punk zu tun hat, aber rechtsradikale Texte verwendet.
An der äusseren Frontseite des Wagens befinden sich zwei Symbole aus der linken Szene: das „peace“-Zeichen und das Anarchisten-A. Der Bauwagen als rechtsradikaler Versammlungsort in kleinsten Ausmassen dokumentiert die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechtsextremen Jugendlichen. Die Atmosphäre im Wagen ist unheimlich, durch die Verlassenheit und Zerstörung auch etwas morbid und zugleich hat dieser zwar mit viel Mühe eingerichtete, aber armselige Jugend-Treff am Rande eines Dorfes in der Provinz fast etwas Rührendes, wenn sich dahinter nicht eine menschenverachtende Ideologie befände.

Umbau zu einem mobilen Hörwagen

In die vorhandenen Lautsprecheraussparungen möchte ich wieder Lautsprecher einbauen (fünf Stück, ergänzt mit einem Subwoofer) und so den Wagen seiner zwischenzeitlichen Nutzung wieder zuführen – allerdings mit verändertem Inhalt (s. Hörmaterial).
Der Wagen selbst soll in seiner jetzigen Erscheinungsform erhalten werden. In den Innenraum sollen zwei schwarze, kunstlederne Behandlungsliegen einbauen, wie sie in Arztpraxen verwendet werden. Die Besucher können sich dann auf diese Krankenliegen in den Bauwagen, also in die Klang- und Raumsituation hineinlegen.
Außen soll der Wagen relativ unverändert bleiben bis auf das Dach: dort sollen in die Vertiefungen des Welldaches
Leuchtstoffröhren in hellblau (ähnlich der Wagenfarbe) einsetzen. Das zweite Lichtelement wird ein ausgestanzter Schriftzug bilden, mit dem Titel: Krankenliege Nation.

Hörsituation / Hörmaterial

Der abgedunkelte Innenraum bewirkt zunächst eine visuelle Reizreduzierung, die die Konzentration auf das Akustische erhöht, aber auch die weißen Symbole im Dunkeln hervortreten läßt. Das Liegen unterstützt dabei nicht nur die Ausdehnung und Intensität der Wahrnehmung, sondern bringt die Besucher in eine ambivalente Lage, eine „intime“ Situation, die im Widerspruch zu der „heimlich-unheimlichen“ inneren Atmosphäre dieses Wagens steht und die Frage aufwirft, wer hier auf der Krankenliege liegt und weshalb.

Musikalisch werde ich mit zwei Materialquellen arbeiten:

A - von verschiedenen Stimmen gesprochene Internettexte zur „Lage der Nation“, im Zusammenhang von Globalisierung und neu aufkommenden Nationalismus, wie sie von Globalisierungsgegnern sowohl im rechtsradikalen wie linksradikalen Lager im Internet diskutiert werden. Dazu werden Zitate aus Interviews mit Heiner Müller eingestreut aus:
„Die Nation beerdigen: Katastrophenfaszination und Totengräberdienst“ (Nibelungen)
„Dem Terrorismus die Utopie entreißen“ (Zur Lage der Nation, Rotbuch)
„Stirb schneller Europa“ (Zur Lage der Nation, Rotbuch)
„Das Jahrhundert der Konterrevolution“ (Zur Lage der Nation, Rotbuch)

B - rechtsradikale Oi!-Musik, die aus dem Internet heruntergeladen werden kann und in Bruchstücken verwendet werden soll. Dabei werden die z.T. extrem menschenverachtenden Texte eine wichtige Rolle spielen. Die aggressive und und mitreissende Musik ist in rechtsradikalen Kreisen das wichtigste Lockmittel, um Jugendliche zu gewinnen. Gerade in ländlichen Gebieten, wie dem Fundort, aber auch in abseitigen Großstadtbezirken ist sie oft die einzige Alternative zu Tristess, Langeweile und Arbeitslosigkeit, in der sich der Hass auf die eigene Lage äußern kann. „Gegen Staat und Kapital – wählt national.“ (Grafitti in Berlin, Neukölln).


Das Projekt konnte aufgrund von lokalen Schwierigkeiten (und Ängsten) nicht realisiert werden.

Beim Versuch, den Bauwagen später zu erwerben, war dieser bereits zerstört.
Geplante Aufstellung in
Kaditzsch/Grimma
2004
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