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ungrounded
2016

Begehbare Raumblase mit interaktiver Installation (Doppelspiegel mit Projektion, Funkkopfhörer, Laser-Distanzsensor)

Sprechstimmen: Johannes Wilms sowie
Lucile Desamory, Jeremy Woodruff, Alessandra Eramo

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Die Messinstrumente werden immer präziser: Die Sekunde soll demnächst auf die 18te Nachkommastelle bestimmt werden, wodurch eine neue - zentimeter­genaue - Vermessung der Erde über Gravitationsunterschiede gelänge. Zeitmessung wird zur Raummessung. Und trotzdem bleiben Raum und Zeit nicht fassbar.

Die radikale Infragestellung der gewohnten Sicht auf die Welt war das Schockierende und Faszinierende, das Einstein vor 100 Jahren mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie auslöste und Heisenberg etwas später mit seiner Unschärferelation verstärkte. Entscheidend ist dabei auch ein psychosoziales Moment: das der Unsicherheit, des schwankenden Untergrunds – und die Frage, woran ich Halt finde in einem vollkommen relativistischen Raum- und Zeitgefüge, das ja nicht nur physikalische Messgrößen betrifft sondern das gegenwärtig prekäre Lebensgefühl in unserer modernen Welt: Haltlosigkeit auszuhalten - und nicht einseitig aufzulösen in starren Glaubensdoktrinen.

Die begehbare Raumblase spielt mit einer 'formlosen Form' und gewährt dem Besucher einen Blick in eine gespiegelte Unendlichkeit. Raumwahrnehmung wie Zeitwahrnehmung werden heraus­gefordert in einer experimentellen Konstellation: Wie ein Elemenarteilchen bewegt sich der Besucher auf einer mit einem Laser ausgemessenen Strecke. Je nachdem wie sich der Besucher darauf bewegt, ergibt sich ein anderer Verlauf, eine live generierte, individuelle Version. Das Kunstwerk steht hier nicht als absolutes Werk fest, sondern ist als relatives Werk von dem Betrachter abhängig, womit en passant eine Grunderkenntnis der Relativität erfahrbar wird: der Beobachter verändert durch sein Beobachten das zu Beobachtende.

Inhalt der begehbaren Strecke in der Blase ist die Relativitätstheorie selbst, in Form der Einsteinschen Feldgleichungen, aufgrund derer sowohl die 'Schwarzen Löcher' wie auch die 'Gravitationswellen' vorhergesagt wurden, die erst jetzt, 100 Jahre später, erstmals experimentell nachgewiesen wurden (unter Beteiligung des Albert-Einstein-Instituts Hannover). Kaum einer kennt Einstein's Formel, die eine völlig neue Sicht auf das Verhältnis von Raum und Zeit begründete. Auf der interaktiven Strecke wandert man quasi durch seine Formel, den gesproch­enen Tex. In der audiovisuellen Texttopographie wird Zeitliches ver­räumlicht und Räumliches verzeitlicht. Am Ende der Strecke stößt der Besucher auf Leibniz' Frage aller Fragen, die er im Original auf französisch gestellt hat, hier aber auch auf italienisch (der Sprache Galilei's), auf englisch (der Sprache Newton's) und auf deutsch (der Sprache Einstein's) auftaucht, in Form einer audio­visuellen Komposition.

"Worauf können wir uns noch verlassen, wenn alles relativ, Zeit und Raum, Raum und Zeit, nicht fassbar, undenkbar und kaum zu beschreiben sind. Diese Erfahrung setzt Georg Klein in seiner Arbeit „ungrounded“ kongenial um. Wenn Sie – alleine – mit dem Kopfhörer in diesen formlosen, labilen Raum - eine Raumblase - gehen, bewegen Sie sich zwischen zwei Spiegeln, sehen noch verschwommen rechts und links die Außenwelt, doch die beiden Spiegel, gekrümmt, weiten den Weg bis ins Unendliche, und Schrift und Ton nehmen Sie in die 100-Jahre-alte Einsteinsche Feldgleichung und die 200-Jahre-ewig neue mehrsprachige Frage Leibniz‘ 'Pourquoi il y a plutôt quelque chose que rien?'
Von Ihnen als Betrachter ist das Ergebnis der Untersuchung abhängig und das Wirken der Kunst. Sie machen Raum-Zeit-Erfahrungen in einer künstlerischen Versuchsanordnung und künstlerischen Auseinandersetzung. Diese gekonnte Umsetzung des Wittgensteinschen: „Denk nicht, schau“ führt über das Erleben in eine neue Dimension der Kommunikation zwischen Betrachtern und Künstlern, zwischen Künstlern und Wissenschaftlern und allen dreien.“
(Prof. Wilfried Köpke)

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