1 : ELDINA (Bosnien) - Pflegeheim, 12:15
2 : PHOUNG (Vietnam) - Krankenhaus, 12:30
3 : NATALIA (Ukraine) - Zu-Hause-Pflege, 12:40
Adolf Schluckebier's Motivation, vor 120 Jahren einen "Schwesternpark" zu erschaffen, um "den im Krankenhaus arbeitenden Schwestern eine Möglichkeit zur Erholung von ihrer schweren Arbeit" zu geben, erscheint angesichts des seit Jahren konstatierten - und in der Corona-Pandemie zugespitzten - "Pflegenotstands" geradezu visionär:
"Der Park wurde bewußt in der Gestalt von Kleinlandschaften angelegt. Auch dieses geschah um der Schwestern willen, um ihnen das Einleben und das weitere Mitleben innerhalb der Gemeinschaft des Mutterhauses zu erleichtern und zu vertiefen. Es sollte nämlich eine jede der Schwestern im Park irgendwo ein Stück Anklang an die heimatliche Landschaft finden und damit einen Platz, an dem sie sich besonders wohl fühlte."
Diese Integrationsleistung, die Sorge um das psychische Wohl und die Anerkennung der inzwischen nicht mehr aus deutschen Landen sondern aus aller Welt angeworbenen Pfleger*innen, ist heutzutage bisweilen ein großer Missstand.
Mit dem Projekt "3 neue Schwestern" werden nun 3 Pflegerinnen aus dem z.T. sehr fernen Ausland akustisch in den "Schwesternpark" integriert und die Aufmerksamkeit auf deren Lebenssituation gelenkt, die alle ihre Familien verlassen haben, um bei unseren Familienangehörigen die Pflegearbeit zu übernehmen.
Mit 3 nicht-deutschen Krankenschwestern/Pflegekräften, die die drei Pflegebereiche (Pflegeheim, Krankenhaus, Zu-Hause-Pflege) abdecken und die aus ehemaligen bzw. aktuell verheerenden Kriegsgebieten stammen (Bosnien, Vietnam und der Ukraine) führte ich Interviews zu ihrem beruflichen und persönlichen Befinden und bat sie darum, mir ein Lieblingslied sowie eine Pflanze aus ihrer Heimat zu nennen.
Dieses Material wurde elektronisch bearbeitet und in eine 3-kanalige Hörsituation überführt. An drei Parkbänken steht ein Bettgalgen, wie man ihn aus dem Krankenhaus kennt, an dem eine Corona-Trennscheibe aus Plexiglas hängt, die als Flächenlautsprecher fungiert. Auf der Scheibe ist die genannte Heimatpflanze in einer Illustration zu sehen und die Stimme der "Schwester" zu hören, die sich über zwei Satellitenlautsprecher links und rechts im Gebüsch räumlich erweitert.
Der Klang der einzelnen Stimme (deutsch mit entspr. Akzent) ist analog zur hin- und hergerissenen sozialen Situation der Protagonisten vervielfältigt und aufgesplittert, quasi als klangliche Manifestation eines multiplen Ichs. In diesen Vervielfachungen, Splitter- und Krebsformen der Stimme tritt ein wichtiges musikalisches Element hervor: die Atemgeräusche beim Sprechen, die mit speziellen Kontrastierungsverfahren aus den Interviews herausgearbeitet wurden und nun in den umgebenden Raum projiziert werden. Diese extremisierten Atem- und Schlucklaute stehen für beide Seiten: für die Atemnnot der Corona-Patient*innen wie für die Überforderung der Pfleger*innen im Pflegenotstand. Auch das Lied in der Heimatsprache bleibt von diesen Prozessen nicht verschont, bildet jedoch zugleich einen versöhnlichen Kontrapunkt im sprachlich zerrissenen Klanggeschehen.
Neben dieser Musikalisierung bleibt jedoch das Dokumentarische erhalten, so dass die Stücke nicht im Loop sondern als eine Erzählung laufen: als Geschichte der einzelnen Pflegerinnen, die von ihren recht unterschiedlichen Erfahrungen in Deutschland berichten. Während die Bosnierin Eldina mit ihrer Arbeitssituation sehr zufrieden ist, aber sehr betroffen von den vielen Coronatoten in ihrem Pflegeheim (Demenz-Station) erzählt, fühlt sich die Vietnamesin Phuong unwohl mit dem Umgang während der Coronapandemie, weil sie als Schwangere trotzdem in der Intensivstation weiterarbeiten musste und sich angesichts ihrer Qualifikation in Vietnam (4-jähriges Studium) als Krankenschwester nicht adäquat eingesetzt fühlt. Am schwierigsten war es für die Ukrainerin Natalia, die die sogenannte 24h-Pflege für Zuhause insgesamt 6 Mal für 3 Monate in Deutschland machte und dafür ihre 12-jährige Tochter in der Ukraine lassen musste. Für wenig Geld und ohne jeden Aussenkontakt (einmal wurde sie regelrecht in das Haus eingesperrt) war sie einer Ausbeutungssituation ausgeliefert, die inzwischen als nicht legal eingestuft wird - aber immer noch praktiziert wird.
Alle Drei erzählen von ihrer Sehnsucht nach Familie und Heimat, von der Musik, die sie zum Trost hörten, wobei jedoch die beiden Jüngeren Eldina und Phuong es auch als Chance sehen, in Deutschland ein neues Leben begonnen zu haben, während Natalia nun kaum weiter weiß. Das Interview mit ihr wurde 3 Wochen vor Kriegsbeginn geführt, so dass ich diese Arbeit den um ihre Freiheit kämpfenden Ukrainer*innen widme.